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Jahre

04.04.2019

Interview mit August Gresser, Gründer von Slow Brewing

Als einzige Schweizer Brauerei ist Schützengarten Mitglied bei der Initiative Slow Brewing. Um dieses Qualitätssiegel zu erhalten, müssen das Unternehmen und seine Produkte rigorose Tests bestehen. (Tagblatt 02.04.2019)

August Gresser, Gründer der Initiative Slow Brewing (links) und Schützengarten-Geschäftsleiter Reto Preisig im Sudhaus der ältesten Brauerei der Schweiz.

 

Ihre Initiative Slow Brewing hat acht Jahre nach der Gründung 27 Vereinsmitglieder. Nicht gerade berauschend angesichts der Fülle an Brauereien. Allein in der Schweiz gibt es über 1000.

August Gresser: Die Anforderungen, Mitglied zu werden und zu bleiben, sind sehr hoch. Eine gute Bierqualität, die für den Konsumenten letztlich am wichtigsten ist, reicht nicht. Es gibt viele weitere Themen wie Unternehmensführung, Infrastruktur oder Qualitätssicherung, und zwar vom Einkauf der Rohstoffe bis zum Vertrieb.

Und die Anforderungen machen nicht an den Toren der Brauerei halt. Was gilt es ausserhalb zu erfüllen?

Sehr wichtig sind auch das Image der Brauerei, ihr Markenauftritt am Verkaufspunkt, die Bierpflege. Wir schauen, wie stark verwurzelt das Unternehmen in der Region ist, in der es sein Bier verkauft, wie die Brauerei in der Gastronomie aufgestellt ist und welche Wege das Bier nimmt, bis es zum Konsumenten gelangt.

Mitglied bei Ihrer Initiative zu werden, ist das eine, es zu bleiben, was anderes. Wie gehen Sie vor?

Die Brauereien müssen sich einem regelmässigen Audit unterziehen. Es gibt zwei Kontrollen. Zum einen untersucht die Technische Universität München jeden Monat Bierproben auf ihre Qualität und ihren Geschmack. Wichtig dabei ist die Konstanz der Bierqualität. Zum anderen inspizieren wir jede Brauerei einmal pro Jahr, vom Keller bis zum Dach, vom Einkauf bis zum Vertrieb. Wir kennen die Betriebe. Unser Siegel ist das härteste der Welt.

Gibt es auch Brauereien, die einmal Mitglied waren und dann wieder ausgeschlossen wurden?

Ja, zweimal. In einem Fall sind die Mindestanforderungen nicht mehr erfüllt worden. Im anderen hat die Qualität des Biers nicht mehr gestimmt. Wir sind da sehr vorsichtig: Eine schlechte Brauerei kann unsere ganze Initiative auf einen Schlag zunichte machen.

Deshalb nehmen Sie Brauereien sehr selektiv auf. Welchen Mängeln begegnen Sie am häufigsten?

Ein ganz grosses Problem, vor allem in Deutschland, sind die baulichen Voraussetzungen. Dann sehen wir auch Mängel punkto Hygiene oder Markenauftritt. Wir lehnen die meisten Bewerbungen ab. Viele wollen auch zu uns kommen, weil sie sich von einem Siegel eine Verkaufsförderung erhoffen. Das ist aber zu kurz gedacht. Ich gehe deshalb lieber selber auf Brauereien zu, die meiner Meinung nach für unser Slow-Brewing-Siegel in Frage kommen könnten.

Womit heben sich denn Biere, die gemäss den Anforderungen Ihrer Initiative gebraut werden, von anderen Qualitätsbieren ab?

Eine Brauerei kann innert weniger als zwei Wochen ein geschmacklich tadelloses Bier brauen. Die Kunst beim Slow Brewing aber ist es, ein süffiges Bier herzustellen, bei dem der Konsument nach dem ersten Schluck Lust verspürt, ein zweites oder drittes zu geniessen. Slow-Brewing-Biere sind vom Charakter her wesentlich stärker ausgeprägt.

Und das soll der Durchschnitts­konsument herausschmecken?

Ich will das nicht überbewerten. Aber die Leute haben schon eine Vorstellung ­davon, wie ein Bier sein sollte. Wenn jemandem ein Bier schmeckt, dann bleibt er in der Regel dabei.

Was gefällt Ihnen denn an Schützengarten besonders?

Die Qualität der Biere ist super, unsere Anforderungen werden hier zu 100 Prozent erfüllt. Zudem hat Schützengarten eine grosse Auswahl unterschiedlicher Spezialitäten; jedes Bier hat seinen eigenen Charakter. Mir gefallen auch die Leidenschaft der Personen im Unter­nehmen für das Produkt Bier oder der Umgang etwa mit den Lieferanten.

Wo kann sich Schützengarten noch verbessern?

Das hohe Niveau zu halten, ist eine ständige Herausforderung. Und natürlich kann man immer mal wieder da oder dort einen Fussboden sanieren oder eine Wand streichen.

Ihr persönliches Lieblingsbier?

Ein gutes helles Lagerbier.

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Auf welche Aspekte ein Auge gelegt wird

Reinste und natürliche Rohstoffe bester Qualität sowie ein langsames, schonendes Brauverfahren, das darauf verzichtet, die Würze- und Bierbereitung zu beschleunigen: Das zeichnet Slow Brewing aus. Im Verständnis von August Gresser aber «müssen auch die Geisteshaltung der Brauerei und deren gelebte Unternehmensverantwortung stimmen». Gresser hat vor acht Jahren die Initiative Slow Brewing gegründet. Wer Mitglied werden möchte, muss sich einer strengen Bewertung seiner Bierqualität und der Brauerei stellen. Das Gebäude und die technischen Anlagen müssen gut im Schuss sein, die Hygiene hat einwandfrei zu sein. Ein Auge wird zudem gelegt auf Aspekte wie die durchgängige Qualitätssicherung oder – und das wird immer wichtiger – auf die digitale Transformation. Derzeit tragen 27 Brauereien aus Deutschland, Norditalien, Österreich und der Schweiz das Gütesiegel der Initiative. Einziges Mitglied hierzulande ist seit Herbst 2014 die St. Galler Brauerei Schützengarten. Sie war am Freitag Gastgeberin der Mitgliederversammlung von Slow Brewing.

August Gresser hat an der Technischen Universität München an der Fakultät für Brauwesen, Lebensmitteltechnologie und Milchwissenschaften studiert. Nach dem Doktorat arbeitete er als erster Braumeister und Cheftechnologe der Brauerei Moretti in Udine und später als Technischer Direktor der Brauerei Forst in Meran. Seit 2007 ist er freiberuflich in der Brau- und Getränkeindustrie tätig.

 

Absicherung und Ansporn zugleich für Schützengarten

Schützengarten-Chef Reto Preisig sagt über Slow Brewing, «wir haben uns anfangs herantasten müssen» und von Gresser «nützliche Beratung und Empfehlungen erhalten». Inzwischen verwendet Schützengarten das Siegel auch auf ihren Produkten. «Für uns ist es eine Absicherung, dass wir auf dem richtigen Weg sind, und Ansporn, immer noch ­einen Schritt weiter zu gehen», sagt Prei-sig. Mittlerweile zeige auch die Bewegung Slow Food, die auf nachhaltig hochwertige Lebensmittel setzt, Interesse an einer Kooperation mit Schützengarten.

Weitere Schweizer Mitglieder bei Slow Brewing zeichnen sich derzeit nicht ab, wie Gresser sagt. Ein «absolutes No-Go» bei seiner Initiative ist das High-Gravity-Verfahren, mit dem schätzungsweise aus Kostengründen neun Zehntel aller Biere hergestellt werden. Dabei wird mit hoher Stammwürze gebraut und das Bier anschliessend verdünnt. «Das ist an sich nichts Schlimmes, geht aber zu Lasten der Qualität», sagt Gresser. Gebe man dem Bier dagegen Zeit, ändere sich der Stoffwechsel der Hefe. «Es fallen weniger Gärungsnebenstoffe an, und je weniger dieser Nebenstoffe, desto bekömmlicher das Bier.» 

Zum Tagblatt-Artikel

Quelle: Tagblatt, Ausgabe vom 02.04.2019

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